Cannes abseits des Filmfestivals – Kann das was?

Kunstwerke aus Sand am Strand von Cannes © Planätive
Kunstwerke aus Sand am Strand von Cannes © Planätive

Einmal im Jahr ist Cannes in aller Munde – zur Goldenen Palme Zeit. Über eine Woche ist’s nun wieder her dass die haute volee d‘ Hollywood sich ein Stelldichein beim Filmfestival. Nachhaltig dabei sind nur die Faux Pas und No-Go’s (Liebe, hippen Boulevard Reporter – diese Ausdrücke sind NICHT COOL!) auf dem roten Teppich, bis ins Detail zerpflückt in zweitklassigen Damen Illustrierten. Die schauspielerischen Talente so mancher Dame treten dabei eher in den Hintergrund. Und wenn man nicht dabei war, bleiben das Festival und die Stadt sowieso zumeist bloß ein beiläufiger Begriff im Punk12 Mittagsmagazin. Wodurch bleibt man daher tatsächlich an der Stadt haften? Warum sollte ich Cannes besuchen, wenn ich weder Schauspieldiplom- noch AMEX Centurion Card Holder bin?

Cannes kann nicht wirklich viel…

Wir erinnern uns immer wieder gerne an unsere Reisen zurück, gerne würden wir das auch von Cannes behaupten – nicht dass wir schlechte Erfahrung gemacht hätten, aber irgendwie sind die Erinnerungen vage und wie durch eine Linse mit einem Dioptriewert knapp vorm optischen Knick. „Ja eh“ würde man als Ösi auf die Frage: „Und wie wars in Cannes?“ antworten, als finanzbewusster Schwabe: „Außer Spesen nix gewesen!“ Zwei Nächte verbrachten wir hier, es war Spätsommer und am zweiten Tag nahmen wir schon den Zug für einen Ausflug nach Monaco…

Kunstwerke aus Sand am Strand von Cannes © Planätive
Kunstwerke aus Sand entlang der Croisette am Strand von Cannes
© Planätive

La Croisette, die Strandpromenade und Laufsteg vieler Promis und Exhibitionisten. Sehen und Gesehenwerden steht auf dem Programm. Ein Spaziergang auf Cannes zentralster Attraktion ist Pflicht, doch wonach richtet man seinen Blick? Dem Sand, den man unter der Armada bunter Strandschirme hervorblitzen sieht oder dem Sand, der als Baumaterial für architektonische Sandburgenkreationen talentierter Straßenkünstler verwendet wird? Von Zweiterem lässt man ab, nachdem man am 3. Kunstwerk zum 5. Mal aufgefordert wird, doch einen Euro springen zu lassen, wenn man schon hergafft. Also wendet man seinen Kopf zu den Hausfassaden, die schon bessere Zeiten erlebt haben. Aufgemöbelt werden diese von Luis Vuitton, D&G, Prada und Gucci, die zum preislosen Wondowshopping einladen. Wahrscheinlich ist auf den Preisschildchen zu wenig Platz für die Nullen, sodass ganz auf deren Platzierung verzichtet wird. Vielleicht noch ein schnelles Käffchen im prominenten Hotel Carlton oder im Grand Hotel Botox Bomber sichten. Unabdinglich ist natürlich das Posen am roten Teppich vor dem Palais de Festivals, der ganz ohne Glanz und Glorie eher einem Führerbunker entspricht. C’est ça. Ach ja! eines sollte man wirklich besichtigen. Das Caviar House (50, boulevard La Croisette) ist echt sehenswert und wer auf Dicke Hose machen möchte, verlässt den Laden mit vollen Taschen.

Das in die Jahre gekommene Grand Hotel an der Croisette in Cannes © Planätive
Das in die Jahre gekommene Grand Hotel an der Croisette in Cannes
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Verspürt man Hunger, treibt es einen in die Centre Ville (zwischen Croisette und Bahnhof an der N7) und direkt in die Arme der Abzocker. Frookreisch, das Mekka der Cuisine erlebt man hier mit flachsigem Entrecôte, Buttergemüse und laschen Pommes um €74,38 pro Gericht. Befremdlich blickt man auf die tote Kuh vor sich, die einem die Situation noch einmal verbildlicht: „WELL DONE!“.
Die Hauptstraße im Kern, die Rue d Ántibes ist, was Einkaufen anbelangt das Gegenstück der Croisette. Kleine Boutiquen, nette Vinotheken und kleine Designerläden mit Flair und auf für den kleineren Geldbeutel geeignet, säumen den Weg. Jedoch was Restauration anbelangt, ist man hier am falschen Ort, außer man steht auf viell Chi-Chi um nix.

Cannes kann doch ein bisschen was

Hat man sich erst einmal etwas orientiert und die opferhafte Fa­çon des Touristen abgestreift, erkennt man die authentischen Seiten Cannes. Nicht im Zentrum, nicht an der Promenade sind sie zu finden. Le Suquet ist die Altstadt im Westen der Stadt, keine 500m vom Festivalgelände entfernt. Am besten gelangt man hierhin über die Rue Meynadier, der wahren Fressmeile Cannes. Nette Lokale bieten Fisch, der kaum frischer sein kann, man passiert Metzgereien, Bäckerein, Feinkostläden und ertappt dort die Einheimischen beim Einkaufen. Parallel zur Meynadier verläuft nördlich der Place du Marché Forville, Cannes täglicher Frischmarkt (Außer Montags). Eine Farbenexplosion bietet sich dem Auge und man gerät permanent in Versuchung, von dem Lachs, Kaviar, Käse, Ölen oder Foie Gras zu kosten.

Candyshop in einem der vielen Gassen in Souquet, der altstadt von Cannes, Frankreich © Planätive
Neben Frischwagen gibts auch Ungesundes: Candyshop in einem der vielen Gassen im Souquet, der Altstadt von Cannes, Frankreich
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Weiter in den Souquet eröffnen sich ein Geflecht aus schmalen Gassen und verwinkelte Wege hoch zur Kirche Notre-Dame d’Esperance, dem höchsten Punkt von Cannes. Von dort aus hat man den besten Blick über die Bucht und dem alten Yachthafen. Der Anstieg lohnt sich mit dem Musée de la Castre  also nicht nur für historisch Interessierte und entschädigt für die verlorene Zeit im Zentrum der Stadt.

Also, unsere Empfehlung: Nicht lange nach den Promis im Stadtzentrum suchen und lieber das südfranzösische Savoir vivre bei einem Gläschen rot am alten Hafen genießen, oder auch mal Nizza und Monaco besichtigen.